Eines der großen Themen der jüngeren und vor allen Dingen der zukünftigen Auseinandersetzung, ist das Themenfeld Schutz von personenbezogene Arbeitnehmerdaten. Die meisten nehmen es gar nicht mal mehr wahr, wenn man sich auf jedem Rechner und in jeder Software mit Name und Passwort einloggen muss. Das geht ja auch gar nicht anders, müssen ja die Inhalte der Softwaretools und Datenbanken vor dem Zugriff Unberechtigter geschützt werden. Das Problem ist nur, dass jeder Arbeitnehmer täglich eine unüberschaubare Menge an auf ihn hinweisender Daten produziert, die vom Arbeitgeber gesammelt, analysiert und verknüpft werden können. „Ich habe nichts zu verbergen“, sagen viele und „wo liegt das Problem“. Das Problem liegt unter anderem darin, dass Daten sich anhäufen und einen Schuldvorwurf suggerieren, während die Arbeitnehmer nach einiger Zeit keine Chance mehr haben, sich für vermeintliches Fehlverhalten zu rechtfertigen.

Ein Arbeitnehmer, der ohne elektrische Zeiterfassung zu spät kommt, wird in vielen Fällen das gar nicht rechtfertigen müssen, weil das „Zuspätkommen“ weder bemerkt, noch gerügt wird. Wird es bemerkt und wird man dann auch darauf angesprochen, kann man seinem Vorgesetzten leicht wahrheitsgemäß erklären, dass man 10 Minuten zu spät am Rechner war, weil man im Flur noch von einem Kollegen oder dem Geschäftsführer auf ein Thema angesprochen worden ist oder weil sich kurz vor der Firma ein Unfall ereignet hat. Im Fall der elektronischen Erfassung von Arbeitszeiten wird es aber passieren, dass bei einer Überprüfung neun Verstöße gegen den pünktlichen Arbeitsbeginn oder ein „zu frühes Gehen“ aufploppen, der oder die Beschäftigte aber nicht mehr weiß, was ihn am 23.01., am 03.02., am 08.07. oder am 09.08. an dem pünktlichen Erreichen seines PCs gehindert hat. Die Beweisnot des Beschäftigten ist im wahrsten Sinne des Wortes vorprogrammiert.

Ein anders Beispiel: Wenn ich die Anzahl der Schaufelbewegungen eines Baggers mit den Maschinenlogin-Daten des Maschinenführers abgleichen kann, dann kann ich eine Hitliste der „fleißigsten“ und der „faulsten“ Baggerfahrer erstellen. Wenn es dann an die Kündigung der vermeintlichen „Low-Performer“ geht, wird sich der Betroffene kaum damit rechtfertigen können, dass er seinen Bagger verlassen hat um seinen Kollegen bei den Erdarbeiten von Hand zu helfen.

Das Thema Kontrolle von „Arbeitsverhalten“ und „Leistung“ ist ein wichtiges Aufgabenfeld für die Betriebsräte, die häufig die einzige ernsthafte Instanz zur Verhinderung von (zum Teil in die Menschenwürde) eingreifenden Kontrollen sind. Das gilt für die allereinfachsten und scheinbar harmlosesten Softwaretools. Wer denkt sich böses, wenn er eine „Videokonferenzsoftware“ betrieblich nutzt. Nicht nur die übermittelten Bilder können einen falschen und negativen Eindruck bei Vorgesetzten erzeugen. Auch Ihre Textnachrichten, die Sie beispielsweise bei Teams gar nicht löschen können, können bei Microsoft 365 (Office) umfassend nach negativen Worten und Formulierungen durchsucht werden. Die „Stichwortsuche“ ist in der Cloud-Version dabei nicht auf das einzelne Softwaretool beschränkt. Microsoft gestattet diese Suche gleich durch alle im Office-Paket angekauften Softwarebestandteile. Eine witzige Bemerkung im Chat oder in einer E-Mail kann dann schnell zu einer Abmahnung oder Kündigung führen.

Aber nicht nur das, auch der Datenschutz nach der DSGVO steht auf dem Arbeitszettel eines jeden modernen Betriebsrates. Die hochgefeierte Europäische Datenschutzgrundverordnung enthält keine speziellen Eingriffsnormen für Betriebsräte, auch weil das deutsche Modell der Mitbestimmung in Europa bislang keine Nachahmer gefunden hat. Wie kann sich ein einzelner Beschäftigter dagegen wehren, dass seine Daten im Konzern an allen möglichen und unmöglichen Stellen abrufbar sind? Wie verhindere ich, dass jeder Beschäftigte zu einem „gläsernen Mitarbeiter“ wird? Was tue ich dagegen, wenn Arbeitgeber Krankenscheine, Urlaubsanträge oder Mitteilungen über Verhinderungsgründe gleich mal kommunikativ in die firmeneigene WhatsApp-Gruppe stellen? Die Antwort ist nicht leicht zu geben. Fakt ist aber, dass nur eine kluge und effektive Betriebsratsarbeit die Chance eröffnet, Missbrauch frühzeitig zu verhindern. Die Verhandlung intelligenter und anpassungsfähiger Betriebsvereinbarungen zum Thema „IT“ ist das Zukunftsthema, dem sich Anwaltschaft, Gewerkschaft und Sie als kollektive Interessensvertretung der Beschäftigten stellen müssen.

Ohne die Mitwirkung eines erfahrenen „Lotsen“ wird eine arbeitnehmerschützende Betriebsvereinbarung nicht zu verhandeln sein.